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Ecoalf-Gründer Javier Goyeneche im flair-Interview über die Mode der Zukunft

Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern ein Versprechen – davon ist Javier Goyeneche überzeugt. Der Gründer des spanischen Modelabels Ecoalf hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mode neu zu denken: ressourcenschonend, innovativ und dabei kompromisslos schön. Mit Projekten wie „Upcycling the Oceans“ und über 600 entwickelten innovative und recycelte Materialien arbeitet er an Mode der Zukunft. flair im Interview mit Javier Goyeneche über den Mut, Dinge anders zu machen.

Text: Jessica Haberl / Fotos: Ecoalf

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Ecoalf-Gründer Javier Goyeneche / Foto: Ecoalf

flair: Sie haben Ecoalf 2009 mit der Vision gegründet, Mode aus recycelten Materialien zu schaffen. Was war der entscheidende Moment, der diese Idee inspiriert hat?
Javier Goyeneche: Ecoalf wurde 2009 gegründet – sowohl der Name als auch das Konzept der Marke entstanden nach der Geburt meiner beiden Söhne Alfredo und Álvaro. Ich wollte eine wirklich nachhaltige Modemarke schaffen und glaubte, dass das Nachhaltigste wäre, aufzuhören, die natürlichen Ressourcen unseres Planeten achtlos zu verbrauchen – um die der nächsten Generation zu sichern. Seitdem ist es unsere Mission, eine neue Generation recycelter Produkte zu schaffen, die in Qualität und Design mit den besten nicht recycelten Produkten mithalten kann.

Der Slogan von Ecoalf lautet „Because There Is No Planet B®“. Wie übersetzen Sie dieses Leitprinzip in Ihre tägliche Arbeit?

Es steht im Zentrum jeder unserer Entscheidungen. Für uns bedeutet Nachhaltigkeit nicht, das zu tun, was für das Geschäft bequem ist, sondern das, was am besten für den Planeten ist. Jedes Produkt, das wir entwerfen, jeder Prozess, den wir verbessern, und jede Kollektion, die wir herausbringen, wird an diesem Prinzip gemessen. Tatsächlich ist dies unser eingetragenes Motto, das Stimmen auf der ganzen Welt in unserer Bewegung zum Schutz des Planeten vereint.

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Jacke „Geres“ von Ecoalf
Langärmliges T-Shirt „Sustano“ von Ecoalf

Recycling ist komplex und bringt oft technische Herausforderungen mit sich. Welche Innovationen waren für Ecoalf bisher am wichtigsten, um hochwertige Textilien aus Restmaterialien zu gewinnen?
Wir sind besonders bekannt für unsere recycelten synthetischen Materialien, wie unser 100 % recyceltes Polyester, das aus weggeworfenen Plastikflaschen hergestellt wird. Ein ebenso wichtiger Durchbruch war jedoch unsere Arbeit, das weichste recycelte Wollmaterial zu entwickeln, das zu 100 % wieder recycelbar ist – hergestellt aus ausrangierten Strickwaren, um CO₂-Emissionen zu reduzieren und Textilabfall zu vermeiden. Auf dieses Material sind wir in dieser Saison besonders stolz.

An welchem aktuellen Projekt arbeiten Sie im Bereich Materialinnovation?
Diese Saison haben wir unsere Damenmodelle Geres und Tiago – wendbare Outerwear – mit Dope-Dyeing-Technologie hergestellt, die den Färbeprozess komplett ohne Wasser ermöglicht. Anstatt die Färbung als zusätzlichen Produktionsschritt durchzuführen, wird die Farbe direkt in das Garn integriert, während es entsteht. Das bedeutet: kein einziger Tropfen Wasser wird verschwendet. Zum Vergleich: Eine herkömmliche Jacke benötigt rund 11 Liter Wasser zum Färben – unsere neuen wendbaren Jacken benötigen null. Allein in dieser Saison sparen wir dadurch 95 524 Liter Wasser im Färbeprozess.

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Wendbare Jacke „Geres“ von Ecoalf
Wendbare Jacke „Tiago“ von Ecoalf

Sie arbeiten im Projekt „Upcycling the Oceans“ mit Fischern zusammen. Was bedeutet Ihnen diese Partnerschaft persönlich und für die Marke?
Das ist das Projekt, auf das wir am stolzesten sind. Es begann 2015 mit nur drei Fischern in Villajoyosa, Spanien, die bereit waren, einen kleinen Behälter auf ihrem Boot zu platzieren, um den Müll, den sie beim Fischen fingen, mit in den Hafen zurückzubringen. Heute ist aus dieser kleinen Idee eine weltweite Bewegung mit über 4250 Fischern in mehr als 75 Häfen im Mittelmeer geworden. Gemeinsam haben sie über 2000 Tonnen Meeresmüll geborgen – ein Beweis dafür, dass Veränderung möglich ist, wenn Menschen zusammenarbeiten. Am meisten bewegt mich, dass sie das freiwillig tun – aus Liebe zum Meer. Sie sind wahre Helden der Ozeane und zeigen, dass Abfall nichts ist, das man wegwirft, sondern etwas, das man verwandeln kann. Für mich ist das eine Erinnerung daran, dass selbst kleinste Gesten, wenn sie gemeinsam getan werden, eine außergewöhnliche Wirkung entfalten können.

Ecoalf wird oft als Pionier beschrieben. Welche Verantwortung bringt dieser Status mit sich?
Als Pionier bezeichnet zu werden bedeutet, dass wir nicht stillstehen dürfen. Wir müssen uns ständig selbst übertreffen. Das hat uns dazu gebracht, über 600 recycelte Materialien zu entwickeln, CO₂-neutrale Stores zu gestalten und sicherzustellen, dass über 70 % unserer Kollektion bereits aus Monomaterialien besteht und somit wieder recycelbar ist. Innovation – Saison für Saison – ist der einzige Weg nach vorn. Seit 2018 sind wir eine B Corp und gehören zu den besten 5 % weltweit. Das verpflichtet unser Team, unsere ökologischen und sozialen Standards in allen Bereichen aufrechtzuerhalten.

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Jacke „Albert“ von Ecoalf

Gab es Projekte oder Materialien, die nicht funktioniert haben? Und was haben Sie daraus gelernt?
Ja, natürlich. Unser Weg, 100 % recycelte Baumwolle zu entwickeln, war einer der schwierigsten – und zugleich lohnendsten – Prozesse. Recycelte Baumwollfasern sind viel kürzer als neue, was sie rauer und schwerer verspinnbar macht. 2014 brachten wir unsere ersten Sweatshirts mit 30 % recycelter Baumwolle heraus – weich im Griff. Zwei Jahre später kombinierten wir recycelte Baumwolle mit recyceltem Polyester, um Sweatshirts aus 100 % recycelten Materialien herzustellen. Leider konnten diese am Lebensende nicht wieder recycelt werden, da sie aus Mischfasern bestanden. 2021, auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft, begannen wir, 50 % recycelte Baumwolle mit 50 % Bio-Baumwolle zu kombinieren, um Monomaterialien zu schaffen. Schließlich präsentierten wir 2023 – nach über einem Jahrzehnt Forschung – unsere ersten T-Shirts und Sweatshirts aus 100 % recycelter Baumwolle, die am Lebensende ebenfalls wieder recycelt werden können. Es war ein jahrelanger Prozess aus Versuch und Irrtum, aber wir haben bewiesen: Qualität, Design und Kreislauffähigkeit können zusammen bestehen. Heute verwenden wir diese 100 % recycelte Baumwolle für T-Shirts, Sweatshirts, Hosen und Overshirts – in bester Qualität und mit 80 % Wasserersparnis im Vergleich zu herkömmlicher Baumwolle.

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Jacke „Aspen“ von Ecoalf
Jacke „Hyden“ von Ecoalf

Welche Kollektionen oder Produkte betrachten Sie als Meilensteine in der Geschichte von Ecoalf?
In diesem Jahr feiern wir das 15-jährige Jubiläum unserer Aspenalf-Jacke. Sie war der erste Mantel, den wir je entworfen haben, und wurde schnell zum Symbol unserer Philosophie: Mode zu schaffen, die gut aussieht und Gutes tut. Damals waren recycelte Materialien fast unmöglich zu finden – und meist von schlechter Qualität. Doch während einer Reise nach Taipeh traf ich eine visionäre Frau, die gebrauchte Plastikflaschen in Teppiche verwandelte. Gemeinsam entwickelten wir daraus das Gewebe, das die Grundlage unserer ersten Kollektion und der Geburt der Aspenalf-Jacke wurde. Was einst eine Einwegflasche mit einer Lebensdauer von 15 Minuten war, wurde zu einer Jacke, die 15 Jahre hält. Nach kontinuierlicher Innovation besteht sie heute vollständig aus 100 % recyceltem Polyester – vom Oberstoff über das Futter und die Füllung bis zu den Reißverschlüssen – und ist am Ende ihres Lebenszyklus vollständig recycelbar. Jede Jacke schenkt 70 Plastikflaschen ein zweites Leben. Für mich verkörpert die Aspenalf den Beginn einer Revolution in der Art, wie wir über Mode denken.

Der Pop-Up Store von Ecoalf x Turek in der Rotenturmstraße 14 in Wien ist noch bis Februar geöffnet.

13.10.2025