flair Magazin im September 2019

Warum setzen Modedesigner gerade jetzt auf Rebellen und Romantiker? Und warum vermischen sie in ihren Kollektionen die beiden Gegensätze so konsequent? Es gibt viele Antworten auf diese eine Frage, mit der sich die Modeszene in dieser Saison intensiv auseinandersetzt.
Dass Mode Zeitgeist widerspiegelt, setzen wir voraus. Hier muss allerdings deutlich unterschieden werden zwischen Modemachern und Konjunkturverstehern. Achtung! Während sich die einen mit Weltbildern auseinandersetzen und mit ihrem Design kreative Impulse geben, reagieren die anderen auf Verkaufszahlen, solange es eben geht. Während Erstere mutig vorangehen, docken Letztere dort an, wo sich ein Trend – oder nennen wir es eine Emotion – längerfristig und deutlich durchsetzen konnte. Es sind eben auch in der Mode die Rebellen, die Geschichte schreiben.
Designerin Miuccia Prada spricht kurz nach ihrer Show backstage über Europakonflikte und die Art, wie Kriege geführt werden. Diese Botschaft scheint ihr wichtiger zu sein, als auf die Details ihrer Herbst/Winter-Kollektion einzugehen. Sie beschreibt Romantik und Angst in ihren Looks: Gesten wie fuchsiafarbene 3D-Blumen auf Uniformen sind Ausdruck für eine kritische Betrachtung soziokultureller Diversität heute. Auch Alexander McQueen arbeitet in der „Saison dunkler Romantik“ mit Rosen- Prints, Punk-Elementen und Schnitten aus der klassischen Herrenmaßschneiderei.
Mit Restware verziert und veredelt Designerin Sarah Burton viele ihrer Looks – in einer Zeit, in der Recycling einfach nicht mehr wegzudenken ist. Manche Designer deklarieren ihr Spiel mit der starken und sanften Seite als neue Demokratie, andere wiederum vermischen endgültig männliche und weibliche Formen. Sie? Er? Warum nicht einfach wir!
In dieser Ausgabe richten wir den Blick auf beide Themen. Über die sanfte und zugleich starke Lieblingsheldin der Mode berichtet flair-Feature-Chefin Julia Werner in ihrem Leitartikel „Romantic Rebels“. Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinkens Zeitgeschichte der Romantik mündet in der soften Rebellion mit Blumen im Haar. Jean Paul Gaultier erzählt im Interview mit flair von echten Menschen, seiner neuen Freak-Show und meint, dass das Ehrlichsein mit sich selbst wohl das Rebellischste ist, was ein Mensch tun kann.
Einen ganz anderen Helden verspricht sich das Burgtheater in Wien mit dem neuen Direktor Martin Kušej, der für seinen revolutionären Stil bekannt ist. Weiblicher und internationaler soll das Theater werden und sich damit dem Trend der Diversität nähern, schließlich ist die „Burg“ Weltbühne. flair spricht exklusiv mit der deutschen Schauspielerin Bibiana Beglau, die Kušej vom Residenztheater München nach Wien folgt. Müsste sie heute eine Revolution anführen, würde sie für Utopie und Solidarität einstehen. Das neue Ensemble weckt unsere Neugier – und so treffen wir auf Elma Stefanía Ágústsdóttir. Die sanfte isländische Aktrice verrät, dass sie keine Scheu vor provokativen Themen hat und Buhrufe sie erst recht so richtig stark machen. Wie internationale Modefotografen und Stylisten den kontroversen Trend interpretieren, zeigen wir Ihnen in unserem 50 Seiten starken Herbst/Winter-Modedossier. Die Saison ist eröffnet!

Wir wünschen Ihnen einen sanften Einstieg in eine rebellische Zeit mit Herz, Mut und Mode.

Ihr flair-Team und

Ingrid Geringer, flair Chefredaktion