Eine Frau ein Stil

Ilaria Venturini Fendi im Interview über nachhaltige Mode

War Ihre Familie nicht überrascht über diesen drastischen Schritt?

Natürlich waren sie anfänglich besorgt, aber als sie sahen, wie glücklich ich mit dieser Entscheidung war, bestärkten sie mich. Heute sind sie sehr stolz.
Sie sind die erste Ihrer Familie, die sich so vehement für Nachhaltigkeit einsetzt.

Was bedeutet „eco-friendly“ für Sie?

Grundsätzlich sollte Nachhaltigkeit überhaupt nicht kompliziert sein, sondern im Gegenteil sehr simpel und natürlich. Eco-friendly ist man, indem man die richtigen Entscheidungen trifft und fair handelt. Nichts kann sein wie früher, dessen müssen wir uns bewusst sein. Wir sind heute in einem Mechanismus gefangen, doch jeder kann sich aus diesen Gewohnheiten auf seine Art und Weise befreien.

Haben Sie Ihre Sicht auf große Modehäuser, die Materialen wie Leder oder Felle für ihre Signature-Designs verwenden, mit Ihrem Lebenswandel geändert und sind solche Materialien heute überhaupt noch modern?

Natürlich wurde ich in eine Familie hineingeboren, die Leder und Felle für ihre Kreationen verwendet. Wobei ich dazu sagen muss, dass Fendi eines der ersten Modehäuser war, welches das Washingtoner Artenschutzübereinkommen akzeptierte und stets sehr streng auf die richtige Verarbeitung von Fellen achtet. Trotzdem gab es Zeiten, in denen wir uns schuldig fühlten. Aber letztendlich verstand ich, dass die Lösung eine Balance zwischen den gegenwärtigen Extremmeinungen voraussetzt.
Ich erinnere mich an Zeiten, in denen Leute Farbe auf Pelze warfen und Anti-Pelz-Kampagnen starteten. Das ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg. Stattdessen sollten wir Möglichkeiten finden, Gesetze und Regulationen zu ändern. Das muss von oben kommen. Gleichzeitig muss der Konsument seine Passivität ablegen und sich bewusst sein, wie viel Einfluss er in diesem Bereich hat, um diese Dinge zu reformieren.

Glauben Sie denn, dass es für große Labels möglich ist, fair zu produzieren ohne modische Abstriche machen zu müssen?

Es ist der einzige Weg. Nicht nur im Modebereich. Doch die Mode hat eine große Verantwortung, weil sie ein so einflussreicher Kommunikationsmotor ist und Trends transformieren kann. Viele Marken versuchen nun zu zeigen, dass sie nachhaltig sind. Das ist in Ordnung, so lange sie es ernst meinen. Jeder sollte Teil dieser Bewegung sein.
Was Carmina Campus von all diesen Marken unterscheidet ist, dass wir nicht nur eine bestimmte Linie oder ein Projekt nachhaltig produzieren, sondern das gesamte Konzept auf dieser Philosophie beruht. Wir verwenden ausschließlich Materialien, die bereits existieren und vereinen Nachhaltigkeit mit sozialem Fortschritt. Diese beiden Dinge gehören immer zusammen.

Wie bringen Sie diese beiden Dinge zusammen?

Wir haben mit Hilfe von Carmina Campus verschiedene Projekte in Afrika und den Menschen dort realisiert. Unser erstes Taschenprojekt nannte sich „Messanger Bag“, für das Arbeiter in Kamerun Stickereien in Form von „Nachrichten an die westliche Welt“ fertigten. Dieses Projekt unternahmen wir ohne jegliche Unterstützung einer Organisation, was sehr schwierig war. Nach zwei Jahren mussten wir feststellen, dass wir ohne Hilfe nicht vorankommen.
Ich trat mit der UN in Kontakt, die zu diesem Zeitpunkt gerade eine modeorientiertes Projekt planten, und 2009 begannen wir eine gemeinsame Kollaboration in Kenya. Wir bildeten die Arbeiter aus, zeigten in verschiedene Drucktechniken und wie man Stoffe verwertet.
Unsere Idee ist es, dass Arbeit der Ausgangspunkt für ein gutes und erfolgreiches Projekt ist. Unser Motto „ Not Charity, Just Work“ spiegelt das wieder. Spenden sind natürlich auch wichtig, aber es fördert keine Entwicklung. Um die Weiterentwicklung eines Landes zu fördern, benötigt es die Verbreitung von Know-How und eine gute Ausbildung, damit die Leute selbstständig und unabhängig leben können.

Hatten Sie jemanden, der Sie zu Ihrem Label inspiriert oder auf dem Weg dahin geleitet hat?

Die Inspiration für alles kommt von meiner Farm. Als ich mein Leben verändert  habe, hat sich auch meine Sicht auf die Mode verändert. Plötzlich hatte ich zwei Jobs – ich bin Farmer und Designer. Diese zwei Welten scheinen vielleicht sehr unterschiedlich, aber sie teilen ähnliche Werte. Auch auf der Farm habe ich alles auf organische Produkte umgerüstet und dort befindet sich sogar das Atelier und der Showroom für Carmina Campus.

Glauben Sie, dass Ihre Denkweise andere Labels oder Industrien beeinflussen kann?

Meine Idee ist vergleichsweise klein, aber sie kann sich zu einer wichtigen Botschaft entwickeln. Vor zwei Jahren haben wir mit „Mini“ kooperiert und haben Materialien, die normalerweise nach Crash Tests übrig bleiben, in einer Capsule Kollektion aufgearbeitet. Etwas Ähnliches machten wir mit einer großen Campari-Kampagne, die im Bahnhof in Rom hing und anschliessend im Müll landen sollte. Die Kampagne haben wir dann zu Taschen verarbeitet.

Gibt es etwas in der nahen Zukunft, das Ihnen Sorgen bereitet?

Was die Zukunft betrifft bin ich eher pessimistisch. Dinge verändern sich, aber sehr langsam. Doch sobald die Leute begreifen, dass es Zeit wird etwas zu bewegen, werde ich schon allen voraus sein.

Weitere Informationen zu Carmina Campus finden Sie unter http://instagram.com/carminacampus

 

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Während der Mercedes Fashion Week Berlin verabredete ich mich mit Ilaria Venturini Fendi zum Gespräch über nachhaltige Mode, ihr Label Carmina Campus und ihrem Zweitjob: Farmer

Text: Pouline Giuffre  Fotos: PR, Instagram

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Ilaria Venturini Fendi

Ilaria Venturini Fendi, Sie kommen aus einer bedeutenden Modefamilie. Wie war das?
Durch die enge Verknüpfung meiner Familie mit der Modewelt lernte ich schon sehr früh viele inspirierende Menschen kennen. Aber ich bin auch Tochter eines sehr erfolgreichen Geschäftsmannes für Outdoor-Living-Produkte. Von ihm habe ich meine Leidenschaft zur Natur geerbt. Mein Vater starb als ich zehn Jahre alt war, aber er hat meine Kindheit stark geprägt. Nach seinem Tod übernahm meine Mutter seine Rolle und sie war es auch, die mir den Weg in die Modewelt ebnete. Mein Vater blieb jedoch zeit meines Lebens eine große Inspiration.

Inwieweit wurde Ihr Leben durch die Omnipräsenz  des Modezirkus’ beeinflusst?

Als ich in die Branche eingestiegen bin, erlebte die Modewelt gerade eine große Veränderung, weil sich die Finanzkrise bereits abzeichnete. Es brach eine Art Hektik aus. Sobald eine Kollektion fertig gestellt war und in die Läden kam, war sie schon nicht mehr aktuell. Außerdem stellte ich fest, wie viele Materialien und Stoffe während der Produktion verschwendet wurden. Dieses neue System gefiel mir nicht.

Erwartete man von Ihnen, den gleichen Weg zu gehen?

Meine Familie hat zu diesem Zeitpunkt gerade Firmenanteile an LVMH verkauft. Das war für mich der ausschlaggebende Moment etwas zu verändern und ich beschloss meinen lang gehegten Traum, ein Stück Land zu besitzen, in die Realität umzusetzen. Also zog ich auf eine Farm, in den Norden von Rom.

War Ihre Familie nicht überrascht über diesen drastischen Schritt?

Natürlich waren sie anfänglich besorgt, aber als sie sahen, wie glücklich ich mit dieser Entscheidung war, bestärkten sie mich. Heute sind sie sehr stolz.

Sie sind die Erste in Ihrer Familie, die sich so vehement für Nachhaltigkeit einsetzt. Was bedeutet „eco-friendly“ für Sie?

Grundsätzlich sollte Nachhaltigkeit überhaupt nicht kompliziert sein, sondern im Gegenteil sehr simpel und natürlich. Eco-friendly ist man, indem man die richtigen Entscheidungen trifft und fair handelt. Nichts kann sein wie früher, dessen müssen wir uns bewusst sein. Wir sind heute in einem Mechanismus gefangen, doch jeder kann sich aus diesen Gewohnheiten auf seine Art und Weise befreien.

Haben Sie Ihre Sicht auf große Modehäuser, die Materialen wie Leder oder Felle für ihre Signature-Designs verwenden, mit Ihrem Lebenswandel geändert und sind solche Materialien heute überhaupt noch modern?

Natürlich wurde ich in eine Familie hineingeboren, die Leder und Felle für ihre Kreationen verwendet. Wobei ich dazu sagen muss, dass Fendi eines der ersten Modehäuser war, welches das Washingtoner Artenschutzübereinkommen akzeptierte und stets sehr streng auf die richtige Verarbeitung von Fellen achtet. Trotzdem gab es Zeiten, in denen wir uns schuldig fühlten. Aber letztendlich verstand ich, dass die Lösung eine Balance zwischen den gegenwärtigen Extremmeinungen voraussetzt.

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen Leute Farbe auf Pelze warfen und Anti-Pelz-Kampagnen starteten. Das ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg. Stattdessen sollten wir Möglichkeiten finden, Gesetze und Regulationen zu ändern. Das muss von oben kommen. Gleichzeitig muss der Konsument seine Passivität ablegen und sich bewusst sein, wie viel Einfluss er in diesem Bereich hat, um diese Dinge zu reformieren.