kultur

Egoland: Michael Nast über die „Generation Beziehungsunfähig“

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Die Social Media haben uns zu Egoisten gemacht, die Liebe und Beziehung mit der unbegrenzten Zahl an sozialen Kontakten verwechseln. Sind wir also die „Generation Beziehungsunfähig“,
wie sie der Autor Michael Nast in seinem jüngst erschienenen Bestseller ausruft? flair hat in seiner Juni-Ausgabe nachgefragt


Foto: Michael Kammeter

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Foto: Michael Kammeter

Lassen Sie uns über die „Generation Beziehungsunfähig“ sprechen, die Thema Ihres Buches ist. Was zeichnet sie aus?
Ich beschreibe die Befindlichkeit von Leuten, die sich oder ihr Umfeld für beziehungsunfähig halten. Es geht dabei nicht nur um Liebesbeziehungen, sondern ganz generell um die Beziehungen zu Menschen und darum, wie man sein Leben lebt. Diese Menschen sind extrem ichbezogen und stellen ihr Ego über alles. Wenn sie in eine Liebesbeziehung kommen, denken sie nicht in einem Wir, sondern nur in einem Ich: „Ich habe mein Leben. Passt diese Person zu meinem Entwurf?“

Welche Rolle spielen denn dabei die sozialen Medien?
Durch die technischen Möglichkeiten ist uns allen bewusster als jemals zuvor, dass die Welt voll von potenziellen Partnern ist. Das fördert eine große Unverbindlichkeit. Die Leute hängen zwischen zwei Leben – zwischen der Vergangenheit und dem Idealbild, wie wir Perfektionsstrebende uns unsere Zukunft vorstellen. Und wir sind immer dabei, uns darin einzurichten, weil es nicht unangenehm ist, dieses unverbindliche Leben zu führen. Die Leute sind ja nicht total verzweifelt. Es ist ein komfortables Leben, das sie da führen, sie haben ihre sozialen Kontakte und stehen im Leben. Das war früher anders, da wurden Menschen zu Paaren, weil sie aufeinander angewiesen waren – auch wirtschaftlich. Das Einzige, was die Menschen heute noch zusammenbringt, ist das Ideal der romantischen Liebe. Doch wir haben so hohe Ansprüche, dass diesem Ideal eigentlich niemand wirklich genu?gen kann.

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30.05.2016