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Detox statt Retox?

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Müde, abgeschlagen, energielos? Entschlackungskuren gelten als Wundermittel – die Meinung der Experten zu diesem Thema ist aber gespalten. flair hat nachgefragt. Eine Gegenüberstellung...

Text: Sara Hopp, Fotos: Detox Delight

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Detox vs. Retox - die Pro und Contras von Entschlackungskuren

Dr. Bettina Hees, Ernährungsmedizinerin, ist pro Entschlackungskuren

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Dr. Bettina Hees, Ernährungsmedizinerin (DGE) und Anti-Aging-Medizinerin (GSAAM), ist pro Entschlackungskuren

Was bewirken Detox-Kuren?

Detox-Kuren können vor vielen Erkrankungen schützen und bereits bestehende Gesundheitsstörungen wie z. B. Diabetes oder Bluthochdruck, Allergien, Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder häufige Infekte bessern oder sogar ganz zum Verschwinden bringen. Detox entlastet und befreit den Körper von sauren Stoffwechselabbauprodukten und Giften. Diese Gifte blockieren häufig gesunde Stoffwechselabläufe im Körper und bilden freie Radikale, sodass es zu gesundheitlichen Störungen und vorzeitiger Alterung kommen kann.

Wie lange muss man eine Detox-Kur machen, um sichtbare Ergebnisse zu erzielen?

Das hängt vom Ausgangszustand und der bisherigen Lebensweise ab. Was sich schon lange im Körper festgesetzt hat, geht nicht von heute auf morgen weg. Aber wer sich als gesunder Mensch 10 bis 14 Tage Zeit für Detox nimmt, der kann bereits mit sichtbar guten Ergebnissen rechnen.

Es gibt diverse Kuren (etwa Saftkuren oder Programme in Wellness-Hotels), welche Methode ist am effektivsten?

Meine Empfehlung lautet, sich eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und sich in dieser Zeit nur auf sich, seinen Körper und seine Seele zu konzentrieren. Daher sind Häuser, die Detox-Behandlungen im Programm haben, natürlich ein tolles Angebot. Wir müssen uns täglich mit 27.000 neuen chemischen Verbindungen und Umweltschadstoffen auseinandersetzen, deshalb sollte Detox auch im Alltag stattfinden, etwa durch eine achtsame Lebensführung und die Wahl der richtigen Lebensmittel.

Zur Abrundung einer Kur gehören meist Massagen, Körperpeelings, Bäder oder Saunagänge – wird dadurch die Wirkung verstärkt?

Auf jeden Fall. Detox ohne die angeführten zusätzlichen Behandlungen ist nur die halbe Wahrheit. Bei der Fußreflexzonen- und Rückenmassage werden über die Meridiane beispielsweise die Entgiftungszentren Darm und Leber aktiviert, Massagen lösen Säureblockaden im Bindegewebe, Saunagänge verstärken die Ausleitung der Toxine und Stoffwechselabbauprodukte über die Haut. Schwimmen und andere Sportarten gehören ebenfalls dazu, weil sie über die Stoffwechselaktivierung den Effekt verstärken und man sich auch viel fitter fühlt.

Was halten Sie von Detox-Beauty-Produkten?

Detox-Produkte können ihren wertvollen Beitrag leisten, indem sie z. B. die Haut mit den für die Entgiftung notwendigen Vitaminen und Mineralien versorgen und basisch wirken. Die Detox-Haut benötigt viel Pflege, Feuchtigkeit, hautidentische Inhaltsstoffe und möglichst wenige Duftstoffe. Diese Inhaltsstoffe sollten aus biologischem Anbau kommen, um die Haut nicht noch zusätzlich zu belasten.

Prof. Dr. Andrea Morgner-Miehlke ist Contra Entschlackungskuren

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Prof. Dr. Andrea Morgner-Miehlke, Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie, ist contra Entschlackungskuren

Der Begriff Detox ist in aller Munde. Woher kommt er und was genau macht die sogenannte „böse Schlacke“ in unserem Körper?

Der Begriff Detox kommt ursprünglich aus der Entziehungskur bei Drogenabhängigen. Schon seit einiger Zeit hat die Wellnessbranche diesen Trend für sich entdeckt. Googelt man das Wort Detox, bekommt man mehr als 55 Millionen Hits – das scheint also eine Erfolgsgeschichte zu sein. Streng wissenschaftlich-medizinisch muss man aber differenzieren. Der Begriff „Schlacke“ kommt eigentlich aus der Erzgewinnung und bezeichnet einen Verbrennungsrückstand – den gibt es natürlich so nicht im Organismus.

Muss ein gesunder Körper überhaupt entgiften?

Ja, unser Körper entgiftet jeden Tag. Organe wie Leber, Darm, Niere, Haut und Lunge sind tagtäglich damit beschäftigt, Stoffwechselprodukte, die wir im Organismus nicht brauchen, und die uns schaden würden, auszuscheiden. Aber natürlich gibt es hier auch eine Kapazitätsgrenze.

Ist Detoxen also sinnvoll?

Der Begriff Detox wird mittlerweile inflationär verwendet, man sollte das Thema wie gesagt sehr differenziert betrachten. Es stellt natürlich immer eine Entlastung der Organe dar, wenn man für eine kürzere oder längere Zeit einen gesunden Lebensstil pflegt. Dies kann mit Kuren beziehungsweise Therapien wie Heilfasten, Mayr-Medizin, basischer Ernährung oder ganz allgemein mit gesunder Ernährung und Bewegung gut erreicht werden. Das Ziel sollte, neben einer Reduktion
der Aufnahme belastender Stoffwechselprodukte, jedoch immer eine kontinuierliche, natürliche Balance im Organismus sein. Deshalb gilt auch beim Detoxen: Für verpasste Chancen gibt es keine Pillen!

Kann man dem Körper durch Detox-Kuren schaden?

Entsprechende Therapien sollten immer unter ärztlicher Leitung durchgeführt werden, es gibt in der Tat Nebenwirkungen und Kontraindikationen. Auch wenn bereits Krankheiten wie Diabetes oder andere metabolische Störungen vorliegen, wäre eine Fastentherapie ohne ärztliche Führung fahrlässig. Gibt es kein nachhaltiges Therapiekonzept, ist auch bei diesen Ansätzen der Jojo-Effekt leider nicht ausgeschlossen. Es kommt also immer auf die langfristige Modifikation
des eigenen Lebensstils an.

Die gemeinnützige Stiftung „Sense About Science“ hat 15 Produkte mit Detox-Label untersucht und alle getesteten Produkte als „absolut wirkungslos“ eingestuft. Was halten Sie von diesen Ergebnissen?

Das überrascht mich nicht, denn die versprochene Wirkung der meisten Produkte und Anwendungen ist wissenschaftlich und auch biochemisch nicht haltbar.

31.10.2014