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Kolumne: Disconnected

Mode ist mehr als nur eine Hülle, sie geht unter die Haut. flair Mode- und Beautydirektorin Ingrid Geringer erzählt von ihren ganz persönlichen Fashion-Moments. Ihr Thema in der Januar/Februar-Ausgabe: "Disconnected"

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Es ist Sonntagmorgen neun Uhr, und ich spaziere mit meinen beiden Möpsen Fani und Dexter auf einem abgelegenen Weg – rechts von mir ein magischer uralter Friedhof, links von mir Wald. Die Krähen kreisen spähend in der Ferne, und ich lausche ihren Rufen, die sich wie viele kleine koordinierte Botschaften anhören.

Hinter mir taucht aus dem Nichts ein Jogger auf. Sein seltsam schlurfender Tritt, seine rhythmisch raschelnde High-Tech-Sporthose, übertönt von seiner Stimme, zerstören jäh meine Idylle. Der frühe Sportsmann – jetzt fast auf meiner Höhe angekommen – spricht offensichtlich mit einer weiteren Person. Kleine weiße Kopfhörer stecken in seinen Ohren, sein Blick starr nach vorne gerichtet, so, als hätte er ein Gegenüber. Ich kann ihn nun deutlich und klar hören.

Er sagt Sätze wie: „Es ist wichtig, an der entscheidenden Stelle festzuhalten und dort gezielt die erwähnte Strategie einzusetzen.“ Oder: „Das Timing spielt eine essenzielle Rolle.“ Nach einer kurzen Pause: „Nein, auf gar keinen Fall, wir müssen sofort reagieren.“

Eigentlich hätte ich den Mann gerne gegrüsst, aber er hat mich gar nicht gesehen. Ich schaue ihm noch eine Weile nach, bis seine Stimme, seine Hose, sein schlurfender Tritt in der Ferne verhallen. Das waren jetzt zwei völlig voneinander getrennte Szenen, schießt es mir unwillkürlich durch den Kopf: ein joggender Mann zum einen, ein Business- Typ in einer Besprechung zum anderen. Ich empfinde Mitleid für den Jogger und bin irgendwie sauer auf den Business-Typen.


Neulich auf einer Pressereise ...

... weiter geht's in der Januar/Februar-flair!

 

 

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30.12.2015