Aus dem Heft

Liebe ist (k)ein Hashtag

# 6

Apps takten unser Datingverhalten, Smartphones rauben
uns die Sprache, der nächste „Seelenverwandte“ ist bloß
einen *swipe* entfernt. Was bleibt von der Liebe,wenn
alles geht und nichts muss?– außer Verwirrung und jeder
Menge Frust? In der flair im Juni nehmen wir die
Chancen und Tücken moderner Romanzen unter die Lupe

Foto: provided by emojione.com

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Foto: Emoji provided by emojione.com

Warum sagt uns eigentlich niemand, dass Beziehungen echt Bullsh*t sind? Stattdessen glauben wir diese Lüge, dass sie sich entwickeln und besser werden. So wie in ‚Pretty Woman‘ und ‚Harry und Sally‘“, ereifert sich Gus, während die DVDs der erwähnten Filme aus dem Fenster des klapprigen Mercedes 230 fliegen. Am Steuer sitzt Mickey, die wie ihr nerdiger Beifahrer ziemlich die Schnauze voll hat: von ihrem Ex, dem Moloch Los Angeles, vom Erwachsensein. Von der Liebe sowieso.

Trotzdem heißt diese neue Netflix-Serie „Love“, und ihre Story, erdacht von Judd Apatow („Jungfrau (40), männlich, sucht …“), scheint symptomatisch für ein Gefühl, das mehr und mehr Menschen beschleicht – mindestens unterbewusst. Dass wir enger und globaler denn je miteinander verbunden sind. Und uns gleichzeitig zunehmend missverstanden und allein fühlen. „Alone Together“ heißt passend eins der Standardwerke zu diesem Phänomen, verfasst hat es die renommierte US-Soziologin Sherry Turkle.
Ihre Kernthese: Nie zuvor haben wir so viel von Technologie erwartet und so wenig voneinander. Drastischer ausgedrückt: Wir betreiben zunehmend Outsourcing mit unserem emotionalen (Zusammen-)Leben, geben Kennenlernen, Romantik, ja sogar Erotik an Smartphones, Dating-Apps und Social Media ab. Mit irritierenden, frustrierenden, teils auch verheerenden Folgen.


"Unser Liebesleben existiert zunehmend an zwei Orten: in der Wirklichkeit und auf unserem Smartphone"

Bezeichnend, dass die aktuelle Kampagne eines Wodkaherstellers unter anderem mit diesem Spruch wirbt: „Wenn ein Smartphone dabei ist, dann ist es kein Date.“ Als hätten die Macher einen von Turkles Vorträgen gehört, in denen sie warnt: „Unsere Smartphones sind psychologisch mächtige Geräte, die nicht nur verändern, was wir tun, sondern auch, wer wir sind.“ Nirgends wird das deutlicher als bei der Suche nach einem potenziellen Partner – bestenfalls für mehr als 24 Stunden.

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20.05.2016