News

Filmrezension: "Dior und ich"

flair war bei der Vorpremiere von Frédéric Tchengs Kinofilm „Dior und ich“ dabei und war vollends begeistert. Ein fesselnder Fashion-Dokumentarfilm zum Mitfiebern und tränenreichen Mitfühlen. Am 25. Juni kommt der Film endlich in die deutschen Kinos.

Text: Vanessa Schaefer

1

Im April 2012 wurde Raf Simons überraschend zum neuen Kreativdirektor der Luxusmarke Dior gekürt. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte die Modewelt den Belgier hauptsächlich für seine minimalistischen Kollektionen für Jil Sander.
Lediglich acht Wochen hatte Simons Zeit, um seine allererste Haute-Couture-Kollektion auf die Beine zu stellen und somit dem gewaltigen Erbe von Christian Dior und allen außenstehenden Erwartungen gerecht zu werden.

1
Raf Simons bei der Anprobe

Der französische Regisseur Frédéric Tcheng, mitunter bekannt für die Doku „Valentino: The Last Emperor“, verfolgte drei Monate lang dieses emotionale und durchweg spannende Debüt mit seinem Filmteam. Noch nie durften Kameras so tief in die Ateliers des Modehauses Dior in Paris vordringen. Im Mittelpunkt der Dreharbeiten stand nicht nur der geniale und medienscheue Designer Raf Simons selbst, sondern auch die Schneiderinnen Diors, die die kreativen Entwürfe unter höchstem Zeitdruck umsetzen mussten und dabei dennoch unfassbar charmant und herrlich liebeswürdig blieben.

1
Meeting der Schneiderinnen

Bereits zu Beginn des Films ahnt man, dass mit der Vorstellung von Raf Simons als neuer Designer für Dior auch eine Wandlung des französischen Modehauses stattfinden wird.

Während der schüchterne Simons lansgam immer mehr von seiner Seele offenbart und seine Designs Schritt für Schritt erste Form annehmen, ertönt im Hintergrund die mitreißenden Kompositionen der Cellistin Ha-Yang Kim.

Im Laufe des Films tun sich, fast schon mystisch, mehr und mehr Parallelen zwischen dem belgischen Designer und dem im Jahre 1957 verstorbenen Christian Dior auf. Beide scheinen eine doppelte Persönlichkeit zu besitzen: zum einen das private Ich und zum anderen das Genie in der Öffentlichkeit. Diese geisterhafte Verbindung schafft Regisseur Tcheng auf mehreren Ebenen zu demonstrieren. Immer wieder durchbrechen nachgestellte Szenen von Christian Diors Memoiren Raf Simons linearen Designprozess.

Dabei ist es die kommentierende und geisterhafte Stimme Christian Diors, die die neue Ära seines Hauses beobachtet und dem Publikum auf einer zweiten Ebene beschreibt. Diese historischen Verweise nutzt Tcheng nicht nur als filmisches Mittel, sondern als Spiegel, der die Vergangenheit als Abbild der Gegenwart und die starken Parallelen zwischen den zwei Designern markiert.

1
Regisseur Frédéric Tcheng

Raf Simons möchte Dior neu erfinden, es modernisieren und revolutionieren und zugleich der femininen Linie des damaligen New-Looks treu bleiben.
Es ist die Liebe zur Kunst, die Raf Simons schließlich dazu inspiriert, die modernen Werke Sterling Rubys in seine Kollektion zu integrieren. Neben dieser Symbiose mit abstrakter Kunst werden im Couture-Debüt des Belgiers vor allem klassische Fashionpieces miteinander neu kombiniert. So wird zur eleganten und puristischen Zigarettenhose ein mit Perlen besetztes Bustier-Kleid in zartem Rosé getragen.

Die gesamte Kollektion zelebriert den Fortschritt der Frau. Hierbei sind es vor allem Kleider in Mid-Calf-Länge mit modernen Details wie aufgesetze Taschen, die Frauen im schnelllebigen 21. Jahrhundert Bequemlichkeit und Praktibilität bieten. Entgegen den anfänglichen Befürchtungen des Modekosmos verweisen Perlenstickereien, florale Applikationen und Tüll eindeutig darauf, dass Simons im Grunde doch ein moderner Romantiker ist.

Im Grande Finale des Films laufen die Models der Haute-Couture-Schau von Dior im H/W 2012/13 vor einer unglaublichen, märchenhaften Kulisse: fünf Räume einer alten Pariser Villa wurden jeweils vollständig mit Millionen von Blumen geschmückt – Wände voller weißer Orchideen, kobaltblauer Veilchen oder roter Rosen.

Vor diesem farbenprächtigen Blumenmeer erscheinen die eleganten Designs Raf Simons noch beeindruckender und bilden zugleich das gigantische Schlussbild eines außergewöhnlichen Dokumentarfilmes – formidable!

1
Die große Haute Couture-Schau
22.06.2015